Selbstregulation ist eine zentrale Grundlage für Bildungserfolg, psychische und physische Gesundheit, soziale Teilhabe und ge-
sellschaftliches Miteinander sowie persönliche und gesellschaft-
liche Entwicklung.
Auszug aus dem Newsletter Nr. 44 – Oktober 2025:
Zu den Zukunftskompetenzen gezählt werden unter anderem:
- Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit,
- Empathie und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen,
- die Fähigkeit zur Selbstregulation und zum achtsamen Umgang mit sich selbst und anderen,
- kritisches und kreatives Denken im Umgang mit Informationen und Herausforderungen,
- sowie Werteorientierung und die Motivation, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.
Einige dieser Kompetenzen müssen bereits im frühen Kindesalter angelegt und gefördert werden. So bildet beispielsweise die sprachliche Entwicklung gleichermaßen die Grundlage für Kommunikationsfähigkeit und
die Gestaltung sozialer Beziehungen wie für Denkprozesse und das Erfassen und Verstehen der Welt. Schon dieses Beispiel zeigt: Die genannten Kompetenzen stehen i Zusammenhang und bedingen sich gegenseitig.
Die Zukunftskompetenz „Selbstregulation“
Eine Fähigkeit sticht dabei besonders hervor, weil sie gleichzeitig für emotionale Stabilität und individuelles Wohlbefinden, soziales Miteinander sowie kognitive Leistungen und Bildungserfolg relevant ist: die Selbstre-
gulation. Gute Selbstregulation trägt dazu bei
- sich Ziele zu setzen und Handlungen (langfristig) zu planen,
- Probleme zu lösen und dabei mit anderen zu kooperieren,
- Impulse zu kontrollieren, statt unüberlegt zu handeln,
- Frustration auszuhalten und „am Ball zu bleiben“,
- sich in andere einzufühlen und zwischenmenschliche Konflikte zu lösen,
- die eigenen Emotionen „im Griff zu haben“,
- das eigene Verhalten an unterschiedliche Situationen anzupassen,
- überlegt Entscheidungen zu treffen.
Schon lange ist bekannt: Kaum eine Fähigkeit ist so grundlegend für ein gelingendes Leben wie eine gute Selbstregulation. Und zugleich gewinnt die Selbstregulation als Fähigkeit, das eigene Denken, Fühlen und Handeln zu steuern, in einer Welt, die zunehmend komplexer, schneller und digitaler wird, mehr und mehr
an Bedeutung. Selbstregulationskompetenz wird benötigt, um zu planen und Zukunft zu gestalten und da-
bei gleichermaßen die eigenen Bedürfnisse und die anderer im Blick zu behalten.
Selbstregulation als Antwort auf künftige Herausforderungen
Die Welt von morgen verlangt mehr denn je nach Menschen, die sich gut selbst steuern können. In einer
sich wandelnden Welt m hoher Eigenverantwortung, in einer Gesellschaft, die Kooperationsfähigkeit und
aktiven Gestaltungswillen braucht, und in einer Umwelt, die nachhaltiges Verhalten erfordert, ist Selbst-regulation von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Wer mit Frust gut umgehen, neue Situationen flexi-
bel bewältigen und zwischen kurzfristigem Bedürfnis und langfristigem Ziel abwägen kann, ist für die Her-
ausforderungen der Zukunft deutlich besser gerüstet. Auch psychische Widerstandsfähigkeit, also Resili-
enz, hängt eng mit der Fähigkeit zur Selbstregulation zusammen.
Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und aktiver Perspektivübernahme
Selbstregulation ermöglicht nicht nur individuelles Lernen und Handeln, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe und soziales Miteinander in einer komplexen Welt. So basieren zentrale soziale Fähigkeiten wie Kooperations- und Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Konfliktlösung auf der Fähigkeit, die ei-
genen Impulse und Emotionen zu steuern, andere Perspektiven einzunehmen und sich auf gemeinsame
Ziele auszurichten. Ohne ein gewisses Maß an Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und aktiver Perspek-tivübernahme geraten soziale Interaktionen leicht aus dem Gleichgewicht.
Defizite in der Selbstregulation
Zugleich zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass insbesondere auch nach der Corona-Pandemie Kinder
und Jugendliche vermehrt Defizite in der Selbstregulation aufweisen. Die CorA-Kids-Studie des ZNL belegt
dies eindrucksvoll: Im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern aus dem Jahr 2014 zeigten Vorschulkinder 2021 deutlich weniger gut entwickelte exekutive Funktionen. Konkret fiel es ihnen schwerer, sich Abfolgen von In-
formationen zu merken, in kooperativen Spielsituationen abzuwechseln oder sich in andere hineinzuverset-
zen – Fähigkeiten, die unmittelbar mit der Fähigkeit zur Selbstregulation zusammenhängen.
Viele Eltern und Fachkräfte berichteten in der Studie zudem v geringerer sozialer Kompetenz (z. B. Konflikt-
fähigkeit, Kompromissbereitschaft), schlechterer Impulskontrolle und Emotionsregulation und einer stärke-
ren Ich-Zentrierung. Sowohl diese und weitere Studienergebnisse als auch Stimmen aus der Bildungspraxis lassen einen deutlichen Handlungsbedarf erkennen.
Stärkung der Selbstregulation als Aufgabe von Kita und Schule
Kein Wunder also, dass Selbstregulationskompetenzen, an deren Untersuchung u Förderung das ZNL und
viele weitere Arbeitsgruppen bereits seit Jahren arbeiten (vgl. Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 2024), gerade jetzt als „die neue Superkraft“ verstärkt in den Fokus rückt (siehe auch „Warum Selbstregulation die neue Super-power ist“ Deutsches Schulportal der Robert-Bosch-Stiftung und das Video: „Warum Selbstregulations-kompetenzen eine Superkraft sind“, Menschen und Muster rbb).
Selbstregulationskompetenz ist mehr als ein aktueller Trend
Selbstregulationskompetenz ist mehr als ein aktueller Trend – sie ist sowohl wichtige Grundlage für spä-
tere Lern- und Bildungsprozesse als auch eine der zentralen Zukunftskompetenzen für Kinder, Jugendli-
che und Erwachsene. Umso wichtiger ist es, dass wir Selbstregulationskompetenzen und deren Förde-
rung aus pädagogischer Perspektive differenziert in d Blick nehmen: Gerade in einer unübersichtlichen,
sich schnell verändernden Welt kommen d sich noch entwickelnden Selbstregulationskompetenzen von
Kindern und Jugendlichen schnell an ihre Grenzen, sind überfordert und dadurch leicht in ihrer Entwick-
lung gefährdet. Hier können Bildungseinrichtungen ein gutes Gegengewicht bieten und gezielt selbstre-
gulationsförderliche Bedingungen und Anregungen bieten.
Selbstregulation gezielt fördern – unsere Konzepte
Die gute Nachricht: Selbstregulation ist lern- und trainierbar – insbesondere im Kindesalter. Seit vielen Ja-
hren beschäftigen wir uns am ZNL intensiv mit der Förderung von exekutiven Funktionen und Selbstregu-
lation bei Kindern und Jugendlichen. Das ZNL hat dafür auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse wirksa-
me u praxiserprobte Förderkonzepte für verschiedene Altersgruppen in Kooperation mit Bildungseinrich-
tungen entwickelt und erprobt. u. a. EMIL – Emotionen regulieren lernen (Kita), abc – achtsam, bedacht,
clever (Grundschule), YOLO (Sekundarstufe) und BeLL (gezielte Förderung durch Bewegung). Mit unseren Qualifizierungsangeboten möchten wir pädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte und im Ganztag Tätige dazu befähigen, Gelegenheiten zur Stärkung der Selbstregulation im Alltag zu erkennen und gezielt zu nutzen.
Das umfasst nicht nur zusätzliche Maßnahmen und Übungen, sondern alltagsintegrierte Förderung z. B.
durch bewusst gestaltete Übergänge und Strukturen, förderliche Unterrichtsgestaltung, anregende Dialo-
ge und Interaktionen.
Fazit
Selbstregulation ist eine zentrale Grundlage für Schul- und Bildungserfolg, psychische und physische Gesund-
heit, soziale Teilhabe und gesellschaftliches Miteinander sowie persönliche und gesellschaftliche Entwicklung. Es liegt an uns allen, Eltern, pädagogischen Fach- und Lehrkräften, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft insgesamt den Blick für diese entscheidende Fähigkeit zu schärfen und Kinder darin zu stärken.
Das ZNL – TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen
„Unser Ziel ist es, Erkenntnisse der Neurowissenschaften zu den Funktionsweisen und den Eigenschaften des Gehirns für d Gestaltung von Lernprozessen nutzbar zu machen. Dazu verbinden wir am ZNL Erkennt-
nisse aus Hirnforschung, Pädagogik, Psychologie und je nach Projekt weiteren Fächern untereinander und verzahnen Grundlagenforschung, praxisbezogene Forschung und Praxis. Wir forschen für die und mit der Praxis, entwickeln Konzepte und begleiten Institutionen und Verantwortliche bei der Weiterentwicklung ih-
rer Arbeit.“
>>> zu dem Artikel im Newsletter des TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen Nr. 44 – 10/25
>>> ergänzend die Texte zu den Zukunftskompetenzen: Kritisches Denken und Problemlösefähigkeit, Lern-
kompetenz, Werte- und Orientierungskompetenz, verantwortungsvoller Umgang mit Medien >> ab der Mitte
>>> zum Newsletter: MINT und Selbstregulation, Nr. 43 – Januar 2025
>>> zum Newsletter: Emotionen regulieren lernen, Nr. 34 – Februar 2019
>>> zum Newsletter: Lernen kennt viele Wege, Nr. 32 – Februar 2018
Urheberrechtshinweis
Alle Rechte an dem Artikel sowie an dessen Auszug liegen ausschließlich bei dem TransferZentrum für
Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm.
Ergänzende Artikel und Informationen (alle Artikel intern auf kindheit-heute.info)
>>> Das krisenfeste Kind
>>> Grundschüler, die lernen, sich selbst zu regulieren, haben deutlich mehr Erfolg in der Schule
>>> Zur Nutzung und Selbstregulation von sozialen Medien
>>> Was brauchen Kinder und Jugendliche für die Welt von morgen?
>>> Die Neuerfindung der Schule
>>> Die Zukunftskompetenz »Kreatives Denken« ist an deutschen Schulen selten gefragt
