Nur gut ein Drittel der Erzieherinnen im Land Bremen bleibt auch zehn Jahre nach Berufseinstieg in der Kindertagesbetreuung in Bremen tätig.
Im Auftrag der Senatorin für Kinder und Bildung sowie der Arbeitnehmerkammer Bremen hat das Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) die Ursachen für den Verbleib bzw. Ausstieg von Erzieher:innen im Land Bre-
men untersucht. Ziel war es, individuelle und strukturelle Gründe beruflicher Entscheidungen systematisch zu erfassen und daraus Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis abzuleiten. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Motivlagen beruflicher Entscheidungen von Erzieher*innen“ vorgestellt.
Auszüge aus der Kurzfassung der Studie:
Im Land Bremen verbleiben nur 36 Prozent der in der Kindertagesbetreuung beschäftigten Erzieher:innen zehn Jahre nach Berufseinstieg noch im Berufsfeld. Elternzeit, Tätigkeits- und Berufswechsel, ein Wechsel in andere Bundesländer oder der vollständige Rückzug aus dem Erwerbsleben betreffen dagegen einen Großteil der Be-
schäftigten im Bereich der Elementarbildung.
Die Erzieher-Ausbildung
Die Analyse zeigt, dass die Ausbildung als Erzieher:in – trotz feststellbarer Reformbemühungen sowohl bun-
desweit als auch in Bremen – vielfach als wenig attraktiv eingeschätzt wird. Als hemmende Faktoren benen-
nen Befragte insbesondere finanzielle Unsicherheiten, die lange Ausbildungsdauer, hohe Anforderungen so-
wie eine als unzureichend empfundene Praxisnähe. Hinzu kommen negative Praxiserfahrungen – zu kurze, schlecht strukturierte Praktika mindern das Interesse an der Arbeit in der Kindertagesbetreuung.
Viele Auszubildende planen keinen Verbleib
Viele Auszubildende planen keinen Verbleib im Bremer System. Sie verfolgen andere berufliche Ziele, möch-
ten in Niedersachsen arbeiten oder sehen die Ausbildung als Übergang zu Studium oder Weiterbildung. Das verfügbare Fachkräftepotenzial ist daher deutlich geringer als die Ausbildungszahlen vermuten lassen.
Teilzeitarbeit ist weit verbreitet, häufig aus Gründen der Belastung und Vereinbarkeit
Teilzeitarbeit ist weit verbreitet, häufig aus Gründen der Belastung und Vereinbarkeit. Zwar zeigen manche Beschäftigte die Bereitschaft zur leichten Aufstockung der Wochenarbeitszeit. Sie knüpfen dies jedoch an verbesserte Bedingungen wie kleinere Gruppen, höhere Wertschätzung oder bessere Bezahlung – Voraus-
setzungen, die aktuell kaum gegeben sind.
Auch viele Vollzeitkräfte sind unzufrieden, insbesondere aufgrund mangelnder gesellschaftlicher Anerken-
nung, großer Gruppen, fehlender Vertretungsreserven sowie unzureichender Vereinbarkeit und Gesundheits-
förderung. Etwa ein Drittel denkt über berufliche Veränderungen nach – durch Stundenreduktion, Tätigkeits-
wechsel oder einen Ortswechsel.
Hauptmotive für einen Wechsel
Zunehmend verlassen Erzieher:innen Bremen in Richtung niedersächsisches Umland, wo Wohn- und Arbeits-
bedingungen oft als günstiger wahrgenommen werden. Die Rückkehrwahrscheinlichkeit ist gering. Hauptmo-
tive für einen Wechsel sind unzureichende Arbeitsbedingungen, ein belastendes Arbeitsklima und der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung. Viele wechseln in andere soziale oder pädagogische Bereiche mit bes-
seren Rahmenbedingungen und schließen eine Rückkehr in die Kita aus.
Um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen
ist eine umfassende Strategie erforderlich, die strukturelle Verbesserungen und neue Zugänge zum Beruf umfasst. Die Ausbildung muss noch attraktiver werden – durch bessere finanzielle Förderung, stärkere Praxisorientierung und flexiblere Ausbildungswege. Reformierte Rahmenbedingungen müssen klarer kom-
muniziert werden.
Gleichzeitig gilt es alternative Zugänge zu fördern, etwa durch vereinfachte Quereinstiege und berufsbeglei-
tende, modulare Qualifizierungen. Quereinsteiger:innen benötigen jedoch intensive Begleitung. Trotz bereits erreichter Fortschritte bleibt die Aufwertung des Berufs zentral – durch bessere Bezahlung und stärkere ge-
sellschaftliche Anerkennung.
Ein gleichwertiger Teil des Bildungssystems
Der Beruf muss als gleichwertiger Teil des Bildungssystems anerkannt und entsprechend behandelt werden. Schließlich sind d Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern! Kleinere Gruppen, multiprofessionelle Teams – insbesondere bei vielen Kindern mit erhöhtem Förderbedarf – sowie feste Zeiten für mittelbare pädagogische Arbeit sind entscheidend. Auch Teamarbeit, Konfliktmanagement u Gesundheitsförderung müssen gestärkt werden. Nur unter verbesserten Rahmenbedingungen kann das Berufsfeld langfristig stabilisiert und attrak-tiver gestaltet werden.
Quelle: Das sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw)
wurde 2001 in gemeinsamer Trägerschaft der Universität Bremen und der Arbeitnehmerkammer Bremen gegründet. Seitdem nimmt das iaw den Blickwinkel von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein und fragt nach den Gestaltungsmöglichkeiten in zunehmend komplexer werdenden Gesellschaften.
>>> zur Verbleibstudie „Motivlagen beruflicher Entscheidungen von Erzieher*innen“ (externer Inhalt)
Urheberrechtshinweis
Alle Rechte an der Studie liegen ausschließlich René Böhme und bei dem Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen.
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