Wie stark Smartphones die Aufmerksamkeit als auch die Gedächtnisleistung reduzieren, ist seit 2017 als Brain-Drain-Effekt bekannt. Ein Forschungsteam der Universität Augsburg hat in einer Meta-Analyse 22 Studien verglichen und bestätigt den Effekt. Für die Medienerziehung von Kindern und Jugendlichen folgt daraus eine besondere Herausforderung.
Der Brain-Drain-Effekt geht zurück auf die gleichnamige Studie von Ward und Kollegen aus dem Jahr 2017, die als erstes belegten, dass alleine die Anwesenheit des Smartphones sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Gedächtnisleistung reduziert. Der Frage, ob es den Brain-Drain-Effekt wirklich gibt oder nicht geht eine Arbeits-
gruppe der Universität Augsburg unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Zierer in einer kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse „Does the Brain Drain Effect Really Exist?“ nach.
Auszug aus der Pressemitteilung:
Hierfür suchten sie internationale Studien, die sich mit diesem Effekt befassten. Sie fanden 22 solcher Studi-
en, die im Ergebnis bestätigen, was Ward und Kollegen bereits 2017 festgestellt hatten: Die bloße physische
Präsenz des Smartphones beeinflusst die kognitive Leistungsfähigkeit ihrer Besitzerinnen und Besitzer, wenn
auch unterschiedlich: Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit sind stärker betroffen als das Erledigen ein-
facher Leistungstests, beispielsweise Buchstabieren. Interessant ist auch, dass kulturelle Unterschiede in den Studien festzustellen sind. In Asien beispielsweise sind die negativen Effekte noch stärker ausgeprägt als in Nordamerika und Europa. Ein Grund für divergierende Ergebnisse sieht Zierer in sich immer mehr anbahnen-
den und ausbreitenden Abhängigkeitsmechanismen: „Menschen, die bereits viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, sind von der Abwesenheit des Smartphones mittlerweile sogar mehr gestresst als von der Anwe-
senheit.“
Dieses Ergebnis ist vor allem für Bildung und Erziehung hochrelevant, da Kinder und Jugendliche Smart-
phones besonders intensiv nutzen. Die Augsburger Forscher der Meta-Analyse, Tobias Böttger, Michael
Poschik u Klaus Zierer, kommen in dieser Frage zu einer klaren Empfehlung: Der Gebrauch digitaler Me-
dien muss aus pädagogischen Gründen reguliert, kontrolliert u begleitet werden. Medienerziehung müs-
se deshalb 2 Perspektiven umfassen: „Zum einen müssen insbesondere Kinder vor einer inhaltlich und zeitlich unkontrollierten Nutzung von Smartphones geschützt werden.“
Dafür seien auch generelle Verbote insbesondere in Schulen hilfreich, wie es zuletzt die UNESCO in ihrem Global Education Monitoring Report (2023) angesprochen habe. Hierbei sei vor allem an die Grundschule,
aber auch an die Unterstufen der weiterführenden Schulen zu denken.
„Zum anderen müssen schulische Konzepte entwickelt werden, die Jugendliche an die Nutzung
argumentiert die Augsburger Forschergruppe
von Smartphones mit Augenmaß heranführen und dabei ein hohes Maß an Selbstreflexion und
Eigenverantwortung in den Mittelpunkt stellen. Es wäre unverantwortlich, die naive Nutzung digi-
taler Medien unreflektiert in pädagogische Kontexte zu übertragen“.
Dies erfordere auch seitens der Lehrpersonen nicht nur technische Kenntnisse, sondern vor allem auch
Wissen über das Ablenkungspotenzial von Smartphones und deren Einfluss auf Gedächtnis, Aufmerk-
samkeit und allgemeine kognitive Leistungen.
>>> Artikel: „Smartphones reduzieren Aufmerksamkeit und Leistung – selbst wenn sie nicht da sind“ (extern)
>>> Originalpublikation: Böttger, T.; Poschik, M.; Zierer, K. Does the Brain Drain Effect Really Exist? A Meta-Analysis. Behav. Sci. 2023, 13, 751. https://doi.org/10.3390/bs13090751
Urheberrechtshinweis/Quellenangabe
Alle Rechte der Pressemitteilung als auch deren Auszug liegen ausschließlich bei dem Autorenteam Tobias Böttger, Michael Poschik und Klaus Zierer sowie bei der Universität Augsburg.
Ergänzende Artikel und Informationen (externe Inhalte)
>>> basicthinking.de: Nomophobie oder: Wenn das Smartphone zur Krankheit wird
>>> heise.online: Unesco will Smartphones aus Schulen verbannen
>>> morgenpost.de: Handyverbot an Schulen
Ergänzende Artikel und Informationen (intern auf kindheit.heute.info)
>>> An jeder zweiten Schule sind Smartphones verboten
>>> Jugendliche surfen 63,7 Stunden pro Woche im Netz
>>> JIM-Studie 2022 – Medienverhalten und Mediennutzung der 12 bis 19-Jährigen
>>> 59 % der 10- bis 18-Jährigen können sich ein Leben ohne Internet nicht vorstellen