In der bislang umfassendsten österreichischen Gewaltstudie von 2011 berichten rund drei Viertel der Frauen (75%) und Männer (73%) von psychischer Gewalt in der Kindheit. Um den Fokus auf die Psychische Gewalt zu lenken, ist es hilfreich Gewaltdynamiken grundsätzlich zu verstehen und sich bewusst zu machen, wie Formen der Gewalt ineinander übergreifen.
Auszug aus dem Artikel der österreischichen Website gewaltinfo.at:
Psychische Gewalt in der Erziehung
Der Umstand, dass Kinder in ihrer jeweiligen Entwicklung auf Beistand und Schutz angewiesen sind, konstituiert ein Abhängigkeitsverhältnis zu Erwachsenen. Pflege und Erziehung sind daher in besonderem Maße geeignet, sich der – notwendigen – Macht missbräuchlich zu bedienen, womit diese zur Gewalt wird. Erziehung ohne po-
sitiv konnotierter Macht ist nicht im Sinne von Schutz und Entwicklungsförderung von Kindern möglich.
Welche Definitionen gibt es für psychische Gewalt gegenüber Kindern?
Es lassen sich zwei Gruppen von Definitionsansätzen herausarbeiten. Die einen definieren psychische Gewalt gegenüber Kindern, indem Formen psychischer Misshandlung und deren schädliche Auswirkung auf Kinder im weiteren Entwicklungsverlauf beschrieben werden. Demgegenüber stehen Definitionsansätze, d. seelische Ge-
walt am Verhalten der Pflegepersonen gegenüber ihren Schutzbefohlenen festmachen.
Psychische Kindesmisshandlung kann definiert werden als
„ein wiederholtes Verhaltensmuster von Pflegepersonen, oder extremer Einzelepisoden, die den grundle-
Hart, Brassard, Baker & Chiel (2017), Psychological maltreatment of children. In J. B. Klika and J. Conte,
genden psychologischen Bedürfnissen des Kindes (nach Schutz, Sicherheit, Sozialisation, emotionale und soziale Unterstützung, kognitive Stimulation, Respekt, etc.) nicht nachkommen; vielmehr wird dem Kind vermittelt, es sei wertlos, mit Fehlern behaftet, ungeliebt, ungewollt, gefährdet oder es sei nur dazu nütze, die Bedürfnisse anderer Menschen zu erfüllen“
The APSAC handbook on child maltreatment, 4th Edition, (pp. 145-162). San Jose.
Um diese Definition auslegen zu können, erfolgt eine Beschreibung dieser Handlungen durch Pflegepersonen,
welche in folgende Kategorien zusammengefasst werden.
- Ablehnendes Verhalten – die Pflegeperson weist dieses Kind und seine Bedürfnisse zurück, oft einherge-
hend mit einer gewissen Verachtung. - Terrorisierendes Verhalten – hier wird ein Bedrohungsszenario für das Kind aufgebaut und es werden star-
re oder unrealistische Erwartungen an das Kind gesetzt, mit der Androhung von Verlust, Schaden oder Ge-
fahr, wenn es diese nicht erfüllt. - Ausbeutendes bzw. korrumpierendes Verhalten – liegt dann vor, wenn Kinder zu unangemessen antisozia-
len oder kriminellen Handlungen manipuliert werden und das auf die Unterwerfung des Kindes abzielt. - Emotionale Unempfänglichkeit – beschreibt Handlungen der Bezugsperson, die die Versuche und Bedürf-
nisse des Kindes zur Interaktion ignorieren und wenig oder keine Emotionen in Interaktionen mit dem Kind
zeigen. - Isolierungsmaßnahmen – meint nicht nur Einsperren oder Absondern von anderen, sondern umfasst sämt-
liche Einschränkungen, die dazu angetan sind, dass ihm der Kontakt zu wichtigen Beziehungen nicht ge-
währt wird, sei es zu Angehörigen oder Freunden. - Vernachlässigung – als Vorenthalten angemessener medizinischer u. psychosozialer Versorgung und psy-chischen Gesundheit sowie fehlende pädagogische Förderung.
Hier zeigt sich das breite Spektrum psychischer Gewalt. Aus den Beschreibungen der Formen psychischer Ge-
walt erschließen sich die folgenschweren und weitreichenden Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwick-
lung eines Kindes. Es prägt schleichend, aber kontinuierlich, die Entwicklung der Minderjährigen auf allen Ebe-
nen: emotional, kognitiv, sozial, gesundheitlich und die Art ihrer eigenen Beziehungsgestaltung. Das bedeutet
ein erhöhtes Risiko für „toxische“ Beziehungen.
>>> zum Artikel: „Psychische Gewalt und Emotionale Vernachlässigung bei Kindern“ (ext. Link)
>>> über die Autorin Dr.in Adele Lassenberger (ext. Link)
Urheberrechtshinweis
Alle Rechte des Artikels, als auch dessen Auszug (s.o), liegen ausschließlich bei Dr.in Adele Lassenberger sowie bei der Website www.gewaltinfo.at, einer Initiative des Bundeskanzleramtes – Sektion Familie und Jugend, Wien.
Ergänzende Artikel und Informationen
>>> Von emotionaler Misshandlung zu psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter (int. Link)
>>> Kindeswohlgefährdungen bleiben auf hohem Niveau (int. Link)
>>> Kindesmisshandlung – Zahlen und Fakten (int. Link)
>>> Jeder Sechste hält Orfeigen in der Erziehung für angebracht (int. Link)