Junge steht vor einer Schultafel und denkt nach

«Kein Mensch ist bildungsfern!»

Der Erziehungswissenschaftler Roland Reichenbach wehrt sich gegen den grassierenden Reformwahn und das Nützlichkeitsden-
ken im Bildungsbereich. Den Begriff «bildungsfern» wertet er als Verachtung!

Auszug aus dem Interview:

Herr Reichenbach, es ärgert Sie, wenn man Ihnen sagt, Sie kämen aus einem bildungsfernen Milieu. Warum?

Roland Reichenbach: Im Begriff «Bildungsferne» höre ich eine Verachtung. Das zeigt die typische Verarmung des Bildungsdenkens. Man setzt hier Bildung mit Schulbildung gleich. Meint «Bildung» aber wirklich die Anzahl Bücher, die zuhause stehen? Oder die Anzahl Jahre, die man in schulischen Institutionen verbringt? Diese Sicht-
weise halte ich f problematisch. Sehen Sie, meine Eltern waren kulturell vielseitig interessiert. Wir sind als Kin-
der nach Rom und auf die Akropolis. Zudem haben mich meine Eltern dabei unterstützt, ein Instrument zu ler-
nen. Ich halte «Bildungsferne» tatsächlich für ein Unwort. Wir sollten so nicht sprechen. Kein Mensch ist bil-
dungsfern.

Würden Sie denn sagen, unsere Schulen sind prima, so wie sie sind?

Das würde ich nie sagen. Schulen sind nie prima, sondern immer problematisch. Überhaupt das gesellschaf-
tliche Leben ist problematisch und widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit spiegelt sich auch im Schulsys-
tem. Es gibt keine einfachen Lösungen. Aber die Schulkritik tut oft so. Das ist für mich dogmatische Besserwis-
serei.


>>> zum Interview mit Roland Reichenbach, Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Uni Zü-
rich und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung: «Kein Mensch ist bildungsfern» (extern)

Urheberrechtshinweis
Alle Rechte des Interviews als auch dessen Auszug (s. o.) liegen ausschließlich bei der Autorin Barbara Bleisch sowie beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), Zürich.

Ergänzende Artikel und Informationen (alle intern auf kindheit-heute.info)
>>> Bildungsferne
>>> Schule im Wandel
>>> schulische Bildung

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