Pressebild Systemsprenger - ein kleines Mädchen schreit vor Wut
Systemsprenger/Pressebild - © Port au Prince Film & Kultur Produktion GmbH

Systemsprenger: das ist die Wirkung, nicht die Erkrankung

Systemsprenger ist keine Diagnose oder eine Erkrankung – es ist ein Resultat: unser System hat keine Hilfe (mehr) für diese Kinder, es ist überfordert, „gesprengt“.

Der Film aus dem Jahr 2019 hat den Namen „Systemsprenger“ geprägt.
>>> zum Trailer auf YouTube (externer Inhalt)

Auszüge aus dem Artikel:
Auch wenn der Begriff dies impliziert: Systemsprenger sind nicht per se gefährlich, jedoch zeigen sie sich auf-grund der Belastungen, die sie haben, nach außen völlig unberechenbar, sind extrem herausfordernd. Bei ihnen trifft vieles zusammen wie familiäre, umwelt- und personenbezogene Faktoren und Schwierigkeiten.

Wie es gelingen kann, zu manchem Systemsprenger einen Zugang zu finden, eine Vertrau-
ensbasis zu schaffen und ihn oder sie für eine Intervention zu öffnen.

Im Nachhinein betrachtet sind es oft die Kinder, bei denen schon i Kindergartenalter zu beobachten war, dass sie nicht mit Frust umgehen können, keine ausreichende Impulssteuerung haben oder sich nicht an Regeln hal-ten können. Sie reagieren in bestimmten emotionalen Situationen körperlich, schlagen, beißen, treten andere Kinder.

„Schlagen oder körperliche Auseinandersetzungen kommen auch bei anderen Kindern vor; die verste-
hen aber nach zwei, drei Mal, wie soziales Miteinander funktioniert. Kinder, die zu Systemsprengern werden könnten, haben oftmals schon als Baby und Kleinkind viele Enttäuschungen und Bindungsab-
brüche erlebt, die Eltern-Kind-Beziehung ist kritisch oder ist sozusagen nicht existent und vieles mehr“
Ergotherapeutin Maren Bartenstein

Mögliche Systemsprenger ändern ihr Verhalten nicht nach zwei oder drei Mal aggressiver Reaktion. Sie haben dieses Verhalten als ihre Überlebensstrategie für sich abgespeichert haben, um mit ihren Emotionen, mit Frus-
tration, Anspannung und Impulsen umzugehen, weil sie es nicht anders erlernt haben. Es ist maßgeblich und
für die weitere Entwicklung dieser Kinder wichtig, ihnen keine bewusste Absicht zu unterstellen, sondern zu er-
kennen, dass sie Hilfe benötigen.

Frühzeitig handeln: adäquate Hilfe von Ergotherapeutinnen erhalten

Beobachten Eltern, Angehörige, Freunde ein solches Verhalten wiederholt oder werden Kindergarten und Kita oder später die Schule hellhörig und verständigen daraufhin die Eltern, ist ein klärendes Gespräch mit dem Kin-
derarzt, der Kinderärztin oder Kinderpsychiater:innen ein vernünftiger Schritt. In berechtigten Fällen folgt bei-
spielsweise eine Verordnung für Ergotherapie.

Ergotherapeutinnen haben es bei ihrer Arbeit oftmals mit Kindern zu tun, die soziale Interaktionsproblemati-
ken zeigen oder schwache Leistungen aufweisen, d nicht dem IQ geschuldet sind, sondern einem Mangel an Strukturierung oder einem Mangel an Unterstützung durch das Elternhaus. Darüber hinaus zeichnen sich Er-
gotherapeutinnen dadurch aus, d ihre Interventionen in solchen Fällen spielerisch verlaufen, was eine wichti-
ge Voraussetzung ist, um Kinder für die Zusammenarbeit zu gewinnen und zu begeistern. Es gilt, die Kinder
da, wo sie sich gerade in ihrer Entwicklung befinden, altersgerecht abzuholen. Und Vertrauen aufzubauen.

Die professionelle ergotherapeutische Haltung

Ein Fall, der d Richtigkeit d ergotherapeutischen Herangehensweise untermauert: Es geht um einen Jungen,
der bereits mit beginnendem Teenageralter die Schule komplett verweigerte, in den ersten Stunden die Ergo-therapeutin beleidigte und mit Stühlen warf. „Die erste Handlung: Grenzen klar und eindeutig aufzeigen“, be-
tont Bartenstein. Die Beleidigungen lässt sie abprallen, wählt Humor als einen therapeutischen Ansatz, ver-
weist den Jugendlichen wegen des Stühlewerfens des Raums und der Stunde. Aber: sie begrüßt ihn bei den folgenden Terminen jedes Mal so freundlich wie beim ersten Mal – es ist alles auf „Null“ zurückgestellt.

„Gerade Kinder und Jugendliche, die schon etliche Beziehungsabbrüche hinter sich haben und so
weit abgedriftet sind, benötigen einen „slow Start“ in Beziehungs- und Bindungsaufbau. Als ehrliche und authentische erwachsene Person zeige ich klar die Grenzen; Konflikte werden geklärt. Danach gibt es einen Neustart und nicht etwa ein Nachtragen, nichts wird mit sich herumgeschleppt“.
Ergotherapeutin Maren Bartenstein

Es sei für Therapeutinnen unabdingbare Haltung,

diese Kinder und Jugendlichen innerhalb d gesetzten Grenzen auszuhalten und nicht etwa beleidigt zu sein. Sogenannte Systemsprenger haben eine Tiefengeschichte, Erfahrungen und Erlebnisse, aufgrund derer sie
sich so verhalten. Maren Bartenstein sagt: „ Ein solches Verhalten ist, nebenbei bemerkt, generell für Eltern
und auch für das Umfeld von Kindern und Jugendlichen durchaus sinnvoll.

zum umfangreichen Artikel und weiter zu den Kapiteln:
>>> Systemsprenger: Kinder und Jugendliche, die nicht mehr ins bestehende System passen
>>> Bei Ergotherapeut:innen lernen: zwischenmenschliche Beziehungen gestalten
>>> Es gar nicht so weit kommen lassen: Kinder und Jugendliche schützen helfen

Urheberrechtshinweis
Alle Rechte an dem Artikel und an dessen Auszügen liegen ausschließlich bei der Ergotherapeutin Maren Bartenstein sowie beim Deutschen Verband Ergotherapie e.V., Karlsbad.

Ergänzende Artikel und Informationen (alle Artikel extern)
>>> Wer streamt den Film Systemsprenger?
>>> Filmdoku: „Systemsprenger: Versagt die Jugendhilfe?“
>>> Filmdoku: „Die Wütenden“

Ergänzende Artikel und Informationen (alle Artikel intern auf kindheit-heute.info)
>>> Schulpsychologische Versorgung ist mangelhaft
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