LAchchender Vater hat seine Sohn auf der Schulter. beide verstehen sich offensichtlich sehr gut
Zugewanderte Väter sind eine weitgehend ungenutzte Ressource für ein gutes Aufwachsen von Kindern mit Migrationshintergrund (Symbolbild) - © Kelly Sikkema

Väterlichkeiten in der Migrationsgesellschaft: Beharrung und Wandel

Unterscheiden sich Väter mit und ohne Migrationshintergrund voneinander? Welche Faktoren beeinflussen Väterlichkeit in der Migrationsgesellschaft? Eine Spurensuche.

Auszug aus dem Artikel:

Im Mainstream aktueller Väterdiskurse herrscht ein begrenztes, homogenes Bild fürsorglicher Väter vor:
Sie werden zumeist als jung oder im mittleren Alter, weiß und der Mittelschicht zugehörig, ohne Migrations-
hintergrund u ohne Behinderung sowie heterosexuell vorgestellt. In dominanten Diskursen werden migran-
tische Männlichkeiten – nach den Vorfällen sexueller Übergriffe bzw. sexueller Gewalt Silvester 2015/2016
in Köln, Hamburg und anderen Städten speziell Geflüchtete und (Neu-)Zugewanderte – oft als „gefährliche
Fremde“ gezeigt.
Diese Männer werden meist negativ skandalisiert oder homogenisierend als traditionell dargestellt, insbe-
sondere im Zusammenhang mit Themen wie Ehrenmord, Zwangsheirat oder (häuslicher) Gewalt. Solche
Probleme sind durchaus vorhanden u müssen kritisiert werden. Allerdings findet man traditionelle Männ-
lichkeiten empirisch in bestimmten begrenzten Milieus, nicht aber grundsätzlich vor.

Dennoch werden sie zunehmend auf alle migrantischen Männer verallgemeinert und gleichzeitig allein mit
der jeweiligen ethisch-kulturellen Zugehörigkeit und teils mit der Religion (Islam) erklärt. Man spricht hier
von ethnisierten oder religionisierten Diskursen. Sie sind verkürzt und verkennen die empirisch vorfindliche
Diversität unter migrantischen Männern/Vätern. Angesichts solch negativer Stereotype über migrantische Männlichkeit liegt die Vermutung nahe, dass diesen Männern im Vergleich zu Deutschen ohne Migrations-
hintergrund fürsorgliche Väterlichkeit weniger zugetraut oder bei diesen weniger bzw. nicht wahrgenommen
wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass Familien mit (Flucht-)Migrationshintergrund – somit implizit auch
Vätern – eine gute Erziehung ihrer Kinder seltener als Deutschen ohne Migrationshintergrund zugetraut wird.

Es gibt aber erste Erkenntnisse, die den genannten stereotypen Mediendiskursen widersprechen
Eine Wirkungsforschung aus Nordrhein-Westfalen ermittelte etwa positive Entwicklungen und Erfolge von So-
zial- und Bildungsangeboten im Bereich migrationssensibler Väterarbeit für Väter mit Migrationshintergrund.
Sie offenbart Potenziale fürsorglicher Väterlichkeit bei Männern mit Migrationshintergrund in bestimmten Mi-
lieus, d.h. eine aktive Beteiligung im Erziehungsalltag mit dem Ziel einer guten Entwicklung bzw. Bildung der
Kinder. Die Studie zeigt, dass diese Männer gerne an Vater-Kind-Angeboten der Spiel-, Sport- und Freizeitpäda-
gogik (Vater-Kind-Spieltreff, Vater-Kind-Wochenenden usw.) teilnehmen oder sich über längere Zeit in Vätergesprächsgruppen treffen.

Auch die Entwicklungspsychologie belegt, dass zunehmend mehr Männer gute Väter sein möchten u können –
und zwar weitgehend unabhängig von ethnisch-kulturellen Zugehörigkeiten: Birgit Leyendecker zufolge sind
„zugewanderte Väter eine weitgehend ungenutzte Ressource für ein gutes Aufwachsen von Kindern mit Migra-
tions-hintergrund. Ihre Studien ergeben, dass beispielsweise türkeistämmige Väter die Entwicklung ihrer Kin-
der im Vergleich mit deutschen Vätern ohne Migrationshintergrund ebenso mehrheitlich positiv beeinflussen.

>>> zum Artikel: „Väterlichkeiten in der Migrationsgesellschaft: Beharrung und Wandel“ (ext. Link)

Urheberrechtshinweis
Alle Rechte des Artikels, als auch dessen Auszug (s.o), liegen ausschließlich bei dem Autor Prof. Dr. Michael Tunç sowie bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.

Ergänzernde Artikel und Informationen
>>> Väterreport. Update 2021 (int: Link)
>>> Neue Studie belegt: So wichtig ist Fa(milienfreundlichkeit für Väter (int. Link)
>>> Einblicke in die vielfältigen Lebenslagen von Vätern (int. Link)

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